Tuttlingen sz Seit zwei Jahren steht „Theater“ als ernstzunehmendes Schulfach auf ihrem Stundenplan. In dieser Zeit haben sie Wissen über Theatertheorie und auch praktische Bühnenerfahrung gesammelt. Als Finale führen 13 Abiturienten des Otto-Hahn-Gymnasiums am Freitagabend in der IKG-Aula das Stück „Homo empathicus“ der zeitgenössischen Theaterautorin Rebekka Kricheldorf auf.
Es ist eine „schöne neue Welt“, die die Schauspieler auf der Bühne entwickeln: Alle Menschen sind gleich, jede Arbeit ist gleichwertig. Die Menschen scheinen in vollkommener Harmonie zu leben. Professor Möhringer propagiert Kooperation statt Konkurrenzdenken und schwört seine Zuhörer auf ein Miteinander ohne Konsumterror ein: „Jetzt wird wieder zusammengerückt, wir steigern das Bruttosozialglück.“ „Die Glücksrendite ist am höchsten in stabilen sozialen Netzwerken“, erklärt er weiter seinen Zuhörern. Die bejubeln und skandieren während seiner Rede zunehmend ekstatisch das Symbol für funktionierende Empathie: „Spiegelneurone!“ Doch kann dieser Idealzustand in einer Gesellschaft überhaupt funktionieren? Oder ist die Harmonie etwa nur an der Oberfläche vorhanden?
„Etwas mit Psycho“ hatten sich die Schüler der Kursstufe Zwei von ihrer Lehrerin Ines Schönberger als Thema ihrer letzten gemeinsamen Aufführung gewünscht. Rebekka Kricheldorfs Stück über eine anscheinend völlig harmonische Gesellschaft wurde 2014 uraufgeführt – und Ines Schönberger schätzt sich glücklich, als Laientruppe die Aufführungsrechte dafür erhalten zu haben. Selbstverständlich sei das nicht.
Die jungen Erwachsenen sehen im Stück viele Parallelen zu unserer von vielen Äußerlichkeiten geprägten Gesellschaft. In der utopischen Gesellschaft wird politisch korrekt gesprochen: geschlechtsneutral und ohne Diskriminierung. Doch schon die Übertreibung der Korrektheit verheißt: Unter der Oberfläche lauert Böses. Und das bricht sich auch Bahn in der Handlung des Stückes. Nur Harmonie auf der Theaterbühne wäre ja langweilig.
Zeitintensiv sei der Kurs im Rückblick gewesen, erklären die Schauspieler in einer Pause während einer der letzten Proben. Zum Abschluss sind sie nochmals für eine Probenwoche ganz in die Theaterwelt abgetaucht. Hier setzen sie sich ganz intensiv mit Text und Inhalt des Stückes auseinander. Aber auch mit sich selbst. „Man testet seine Grenzen aus“, lautet die Bilanz mehrerer Kursteilnehmer, und: „Wir mussten immer wieder über den eigenen Schatten springen, aber das gibt Selbstbewusstsein.“ Auch weit über die Schulzeit hinaus.
„Homo empathicus“ von Rebekka Kricheldorf wird in der Aula der Gymnasien Tuttlingen am Freitag, 2. Juni, 20 Uhr, von der Kursstufe Zwei des Kurses „Literatur und Theater“ am OHG aufgeführt. Der Eintritt ist frei.