In der Mediothek des OHG erzählte ein ehemaliger alkohol- und drogenabhängiger Mann von seinem Abgleiten in die Sucht und seinem schwierigen Weg wieder zurück in der Normalität. Der jetzt 53 Jahre alte „Storyteller“ („Geschichtenerzähler“) erzählte seine bewegende Lebensgeschichte, die ganz normal begann und beinahe im Untergang endete. Der in einem kleinen Dorf im Kreis Tuttlingen geborene „Urs“ (der Erzähler wollte verständlicherweise anonym bleiben) hatte eigentlich eine wohlbehütete Kindheit, ein normales Elternhaus und war eingebunden in die Vereine vor Ort. Nichts deutete auf die Gefahr des Süchtigwerdens hin. Das Einzige: Er war sehr schüchtern. Mit etwa 13 Jahren merkte er: Wenn ich Alkohol zu mir nehme, werde ich lockerer, gesprächiger und kontaktfreudiger! Eigentlich wollte er Abitur machen, aber sein Vater bestand darauf, dass er einen „richtigen“ Beruf ergreifen sollte: Er wurde Metallschlosser. Zusammen mit Arbeitskollegen und Freunden trank er dann gerne ein „Bierchen“ oder zwei. Mit 15 Jahren konsumierte er nur eine Flasche, um sein „Wohfühllevel“ zu erreichen, mit 17 Jahren aber brauchte er schon 5-6 Flaschen dafür. Es trat ein Gewöhnungseffekt ein. Mit 20 Jahren war bereits voll alkoholabhängig und konnte keinen Tag mehr „ohne“ sein. Hinzu kamen auch die ersten Erfahrungen mit Haschisch. Der Strudel nach unten nahm seinen Lauf: Immer wieder verlor er seine Arbeitsstelle, er baute 2 Verkehrsunfälle, viermal wurde ihm der Führerschein entzogen, er verlor sein Eigenheim, er war keinen Tag mehr nüchtern, sondern „immer auf der Suche nach dem Kick“. Am Tiefpunkt angekommen, wollte er sich mit einem Strick das Leben nehmen, wurde aber im letzten Moment von seinem Vater gerettet.
Dann kam die entscheidende Lebenswende: Er beschloss, nüchtern zu werden. Stichwort: Entzug. Er blieb 5 Tage und Nächte im Bett, schwitzte und zitterte und schaffte es tatsächlich. Anschließend holte er sich professionelle Hilfe: Er ging zur psychosozialen Beratungsstelle in Tuttlingen, diese vermittelte einen 3 1/2 Monate langen Entzugsaufenthalt im Klinikum Rottenmünster in Rottweil. Für ihn die „schönste Zeit seines Lebens“. Er spürte, dass es Menschen gibt, die sich um ihn kümmern. Den Alkohol wurde er los und ist seit 25 Jahren trocken. Nicht aber das Haschisch! Erst als sein bester Freund ihn vor die Wahl stellte, entweder Freundschaft oder Hasch, kam er auch vom Kiffen los. Mittlerweile hat er wieder Freude am Leben, kann alles machen und hilft bei der Drogenberatung Tuttlingen mit. Die einzige Sucht, die er noch hat: „Ich bin süchtig darauf, nüchtern zu sein…“.
Die Schüler lauschten gespannt und bekamen im 2. Teil die Gelegenheit, Fragen zu stellen und auch von eigenen Erfahrungen und Ängsten zu erzählen. Die Lehrerinnen und Lehrer mussten dafür die Mediothek verlassen, denn die Schüler sollten in möglichst großer Offenheit ihre Beiträge vorbringen.